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Autor
Lena Meyer
Produktmanagerin
Erscheinungsdatum
11/04/2025

Ausbreitung der Schilfglasflügelzikade 

Seit 2008 breitet sich die Schilfglasflügelzikade, ausgehend aus dem Raum Heilbronn, in Deutschland aus. Sie wird nicht mehr nur in Zuckerrüben, sondern auch in Kartoffeln (seit 2022) und in Gemüsekulturen sowie Erdbeeren, Kräutern, Kohl oder Spargel (seit 2024) gefunden. Es wird erwartet, dass sich die Schilfglasflügelzikade kurz- bis mittelfristig über ganz Deutschland ausbreiten wird. 

Schilfglasflügelzikade als Vektor 

Die Schädigung der Kulturen wird nicht direkt durch die Schilfglasflügelzikade verursacht, sondern sie ist der Überträger von zwei Krankheitserregern. Das Bakterium „Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus“, kurz ARSEPH, und das Stolbur-Phytoplasma „Candidatus Phytoplasma solani“, kurz PHYPSO. Die Phytoplasmen treten häufig in Kombination mit dem Bakterium auf. In der Zuckerrübe verursachen sie das SBR Syndrom (Syndrom des niedrigen Zuckergehalts) und Gummirüben. Bei Kartoffeln führt die Übertragung der Bakterien und Phytoplasmen zu den typischen Symptomen der Stolbur-Krankheit. Die Übertragung der Bakterien und Phytoplasmen erfolgt durch Saugaktivitäten am Phloem der Pflanzen. 

Nymphe Schilfglasflügelzikade

Biologie  der Schilfglasflügelzikade 

Der Lebenszyklus der Schilfglasflügelzikade ist stark an landwirtschaftliche Fruchtfolgen angepasst. Der Infektionsweg der Zikaden beginnt mit dem Einflug in die Bestände im Frühjahr (Mitte/ Ende Mai). Nach einer zwei- bis dreimonatigen Flugphase beginnt die Eiablage im Boden. Die Insekten saugen an den Pflanzen und legen die Eier am Rübenkörper im Boden ab. Aus den Eiern entwickeln sich im Spätsommer und Herbst Nymphen, die ebenfalls an Wurzeln und Rüben saugen. Durch die Saugaktivitäten der Zikaden und Nymphen am Phloem der Pflanzen werden die Bakterien und Phytoplasmen übertragen. Nicht infizierte Zikaden nehmen die Erreger von befallenen Pflanzen auf und übertragen sie weiter. Nach der Ernte verbleiben die Nymphen im Boden. Sie überdauern an den Wurzeln des meist folgenden Winterweizens oder anderen Nachfrüchte. Im Folgejahr schlüpfen dann die adulten Zikaden und fliegen in neue Bestände ein.  

Schädigung der Zuckerrübe durch SBR

Typische Symptome von SBR in der Zuckerrübe sind lanzettförmige junge Blätter und sichtbare nekrotische Verfärbungen im Bereich der Gefäßbündelringe. Ab dem Spätsommer resultiert dies in einer großflächigen Vergilbung des Bestandes, der Befall kann sich über den gesamten Schlag hinweg erstrecken. Eine Infektion führt zu verminderten Mengenerträgen und einem reduzierten Zuckergehalt. Die Reduktion des Zuckerertrags ist wirtschaftlich am verheerendsten – hier werden Zuckerertragsverluste von bis zu 50 % und mehr beobachtet. Des Weiteren wird die Lager- und Verarbeitungsfähigkeit der Rüben stark beeinträchtigt.  

Gummirübe, SBR
Nympen und Luftknollen an Kartoffel durch SBR

Schädigung der Kartoffel  durch SBR

Typische Symptome von Stolbur in der Kartoffel sind die Bildung von Geiztrieben und Luftknollen, roten Verfärbungen an Stängeln und Blättern sowie Gummiknollen und Nabelendnekrosen. Außerdem kann es zu einem erhöhten Anteil kleinerer Kartoffeln kommen. Befallene Kartoffeln enthalten weniger Stärke und mehr Saccharose. Die bakterielle Kartoffelwelke kann im Kartoffelanbau von Ertragseinbußen bis hin zum Totalausfall führen. Außerdem kommt es zu Qualitätseinbußen, die durch den Erreger verursachten „Gummiknollen“ sind nicht mehr verarbeitungs- und lagerfähig. 

Bild (Nymphen + Luftknollen an Kartoffeln 2 von Bernhard) + Bakterielle Knollenwelke (Agroco.) 

Wirtschaftliche Auswirkung 

Auf 85.000 ha Zuckerrübenfläche und 22.000 ha Kartoffelfläche konnte im letzten Jahr eine Infektion nachgewiesen werden. Die SBR bzw. Stolbur-Erreger führen zu extremen Schäden an den betroffenen Kulturen und bedrohen existenziell den Anbau von Zuckerrüben, Kartoffeln und zahlreichen Gemüsearten. Damit steht die Anbauwürdigkeit der betroffenen Kulturen und die vorgelagerte und weiterverarbeitende Industrie infrage. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln ist gefährdet.   

„Wenn auf über 100.000 Hektar Ackerfläche Schäden durch SBR und Stolbur auftreten, geht es nicht mehr nur um Pflanzenschutz – es geht um die Zukunft ganzer Wertschöpfungsketten. Jetzt braucht es praxisnahe Lösungen, die schnell wirken und langfristig tragfähig sind.“ Lena Meyer, Produktmanagerin.

Lena Meyer, Produktmanagerin

Kontrollmaßnahmen  

Viele verschiedene Forschungsgruppen und Kooperationen haben in den vergangenen Jahren begonnen nach Strategien zur Bekämpfung der Schilfglasflügelzikade zu suchen. Um die Ertragssicherung in den betroffenen Kulturen jedoch kurzfristig weiterhin abzusichern, ist es notwendig, die Zikadenpopulation durch einen integrierten Bekämpfungsansatz zu reduzieren. Neben der Umstellung der Fruchtfolge, der richtigen Sortenwahl, einer angepassten Düngung oder dem Einsatz von Repellentien oder Biostimulanzien sind auch Insektizide ein wichtiger und schnell wirksamer Baustein dieses Bekämpfungsansatzes. Dieses Jahr haben die Wirkstoffe Acetamiprid, Flupyradifurone, lambda-Cyhalothrin und Deltamethrin Notfalzulassungen für die Bekämpfung der Glasflügelzikaden als Bakterienvektoren in der Zuckerrübe und Kartoffel erhalten. Darunter sind auch die Produkte Kaiso Sorbie® und Carnadine® 200, wenn Sie mehr Informationen.

 

Notfallzulassungen der Produkte Carnadine® 200 und Kaiso Sorbie®